Zu Besuch bei Erwin Jakob Schatzmann im Morgenland am Stadtrand von Winterthur
“Ich mache halt Naheliegendes“
Sofort fallen sie mir auf, als ich in Winterthur durch die Innenstadt schlendere, die schönen Farben! Da bin ich wie eine Biene, die sofort von dem angezogen wird, was sie als Nahrung braucht.
Der in Winterthur lebende Künstler Erwin Jakob Schatzmann bearbeitet heimisches altes Holz, teilweise Fundstücke, denen er seine Würde zurück gibt und sie veredelt , indem er Kunstwerke aus ihnen macht, oder wie er selbst sagt, die er schatzmanisiert. In der Stadt stehen einige seiner Arbeiten, an mehreren Orten Bänke, die er angemalt hat, und Möbelstücke, die er wieder recycelt hat, oder Stühle, die er neu interpretiert.
Sie gefallen mir so gut, das ich mich nach dem Hersteller derselben erkundige, und beschließe ihn an seinem Wohn,- und Arbeitsort, einem aus recycelten Baumaterialien und seinen Skulpturen bestehenden kleinen Hüttendorf am Rande von Winterthur, zu besuchen. Zudem fand ich bei Winterthur Tourismus im HBF sein kleines Büchlein mit dem Titel Unverblümt: Aphoristische Denkprosa, in der edition Zeitpunkt erschienen. Der kurze Blick in das Büchlein, und die darin enthaltenen Geistesblitze sprechen mich ebenfalls an, so dass ich beim dem Menschen dahinter einen sensiblen Feingeist und überzeugten Querdenker vermute.
Als ich den Weg zu ihm nicht finde, und ihn über Handy anrufe, sagt er spontan, ich komme ihnen mit dem Fahrrad entgegen……
Natürlich erkenne ich ihn sofort, nicht wegen des Fahrrades, sondern wegen seines gewandeten Statements, denn all seine Kleider entwirft er ebenfalls selbst, oder schatzmanisiert recycelte Stoffe und macht sie sich ankörperbar. Klar dass das, was er am Leibe trägt, auch sein erweiterter künstlerischer Ausdruck ist.
Mit dem langen grünen flatternden Gewand, dem Kopfturban, den langen braunen Haaren, dem Catweazle Bart, hat er etwas von dem sympathischen Waldzauberer, der in den 70ger Jahren mich und viele andere Kinder ans Fernsehen gefesselt hat. Schatzmann könnte als jüngere urbane Variante, natürlich a bisserlkünstlerischer, durchaus durchgehen. Ich würde eine Neuauflage dieses Klassikers sehr begrüßen, und würde mich dafür sicher mal wieder vor den Fernseher setzen.
1954 in Agasul im Züricher Oberland geboren, machte er sich nach einer kaufmännischen Lehre auf nach Indien, wo er insgesamt 3 Jahre verbrachte und auch zeitweise mit den Sadhus lebte. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz erschien ihm eine bürgerliche Existenz nicht mehr denkbar, und er beschloss , Kunstmaler zu werden.
“Der Grundimpuls meines Daseins, sagt er, war kein künstlerischer, sondern ein politischer. Ich wollte kein Teil des in meinen Augen falsch denkenden und falsch handelnden Systems,- dieser Konsum und Wegwerfgesellschaft- sein, das die Erde verwüstet und die Tiere ausrottet. Ich wollte nicht aktiv dagegen kämpfen, aber, gewissermaßen als nicht integrationswilliger Inländer, auf keinen Fall eine Aufgabe oder Arbeit ausführen, die dieses System fördert. Ich wählte eine positive Variante und wurde Maler, Bildhauer, Generator.“
Mir kommt immer wieder der Schweizer Bruno Manser in den Sinn, über den ich vor vielen Jahren ein Projekt gemacht habe, hat er mich doch mit seinen Tagebüchern aus dem Regenwald und seinem Engagement u.a gegen die Abholzung des Regenwaldes in Borneo, sehr beeindruckt.
Schatzmann bediente sich fortan in seiner Malerei und Bildhauerei der europäischen Volkskunst, christlichen Motiven, sowie spirituell mystischer Symbole. Überhaupt weiß das Auge zunächst nicht, wo es hinschauen soll in seinem Morgenland Anwesen. Jeder Platz ist ausgefüllt, erinnert mich sofort an Helgas Folly in Kandy /Sri Lanka, (beschrieben in meinem Sri Lanka Report auch auf www.bewusstreisen.com )
Und auch den Ort mit Hausaltar gibt es: Photos seiner Mutter, des Vaters , sowie eine Memoriam Ecke für schon verstorbene Freunde…
Es ist der Ausdruck eines überreichen Schatzmannschen Kosmos. Die meisten Holzarbeiten würden mehr Raum brauchen, um erst richtig zur Geltung zu kommen. Kleine Details in jeder Arbeit, sowie ein absolutes Bekenntnis gegen die Manie einer Wegwerfgesellschaft. Geradezu eine Sichtbarmachung der Perversität dieser Gesellschaft, die Werte, Materialien und Substanz gar nicht mehr erkennen kann, weil sie durch den künstlich gezüchteten Konsumvirus vollends erkrankt ist.
Deshalb braucht es solcher Menschen wie Jakob Erwin Schatzmann, die daran erinnern! Und um so schöner, wenn es in einer solch bildpoetischen Form geschieht, und er so den Dingen und Objekten wieder Schönheit verleiht: Durch Farben, Formen, und das Inszenieren von unterschiedlichen Kontexten.
Ihn interessiere es nicht mehr, auf große Ausstellungen zu gehen. Die Leute sollen zu ihm kommen, er müsse nicht dem internationalen Kunstmarkt hinterherlaufen. Überhaupt international, …… es reiche, wenn ihn die Leute hier kennen….er mache eher Naheliegendes im doppelten Sinne (eben Restholz aus dem Wald, was der Förster liegen läßt) das sei auch Teil seines Konzeptes.
Überhaupt ist er einer, dem man anmerkt, dass er sich bewusst für diese Art zu Leben entschieden hat. Er muss einer Gesellschaft nichts mehr beweisen, aber Impulse setzen möchte er, und wirken an einer Gesellschaft , die es noch nicht gibt. Insofern fühle ich mich ihm nahe…
“Ich möchte zuerst einmal ein umweltfreundlicher Mensch sein, daraus ist ja überhaupt erst einmal die Kunst entstanden“, sagt er.
Ich öffne den Ort auch meinen Freunden. Es ist quasi auch ein Versammlungsort, denn ich habe hier regelmäßig Zusammenkünfte, wo ich mit meinen Freunden Musik mache, etc. Es ist für sie auch eine Oase. Ich bin für viele Menschen so etwas wie eine Vaterfigur geworden. Froh bin ich, dass ich das Stück Land hier bekommen habe von der Stadt, es ist ja Industriegebiet. Ich habe es für dreißig Jahre gepachtet, und im Grunde arbeite ich ja zonenkonform, ich produziere auch, es ist temporär, ich konstruiere“.., so Schatzmann.
Ich berichte ihm von meinem Besuch im Kulturort Weiertal, wo ich die diesjährige Kunstbiennale von Maja von Meiss besucht habe, (UMA Newsletter Sommer 2017, gerne anfragen) deren Titel dieses Jahr heißt: Refugium.
Im Grunde hat Schatzmann hier auch ein Refugium geschaffen, nicht nur für sich und seine Freunde, sondern auch für Dinge der Wegwerfgesellschaft, die hier eine Wiederaufwertung und Wertschätzung erfahren durch seine Bearbeitung. Seine Kunst kann man zudem benutzen, der Nutzwert ist Teil der Kunst, und die Menschen, die beispielsweise auf seinen Bänken sitzen, sind Teil der Kunst, sind Teil des öffentlichen Bühnenbildes…
Er habe auch regelmäßig Schulklassen da, die dann auch bei ihm mit dem Holz umgehen dürfen, Schnitzen etc., und das mache den Kindern totalen Spaß, da sie dann auch handwerklich was erschaffen, was ja in der Smartphone Generation rar geworden sei, sagt er.
Auszug aus seinem Büchlein Unverblümt, welches ein wahres Schatz(mann)büchlein ist, was man immer lesen kann, und welches der Meister mir mit Widmung geschenkt hat:
Das Leben ist kurz
Man kann den Schatz vielleicht nicht selber ausgraben, aber eine Schatzkarte hinterlassen.
Man kann nicht die ganze Welt bekochen, aber ein Kochbuch schreiben.
Kunst
Kunst heisst, nicht nur Gegenstände sondern Zustände, Beistände und Verstände herzustellen.
Kunst ist die Verwandlung der Lebensuntüchtigkeit in Poesie.
Kunst ist nicht Herstellen von Kunstwerken und Nachäffen von Wirtschafts und Handelsmaximen, sondern Generieren von Botschaft und Sinn.
Es gibt ein Kunstwerk , das jeder in seinem Leben erschaffen und vollenden muss, und das ist das Leben selbst.
Ich leiste Widerstand, wo ich es angebracht finde, aber nicht in dem Sinn, dass ich mich in das Leben anderer einmische und sage, was sie zu tun oder zu lassen haben, sondern indem ich es selber tue oder lasse.
Wirkungsvoller als alles Lamento ist, seine eigenen Bilder , die das Gewünschte schon vorwegnehmen, die aufzeigen, wofür man ist, und nicht gegen was. Und im besten Fall es sein und machen.
Glück macht anziehend, eine glücklose Kreatur stößt ab. Die Welt liebt Sieger, aufgestellte Typen, die gute Laune verbreiten. Also hat man´s zu sein. Die Welt von morgen gehört denen, die Freude künden.
Morgenland, am Stadtrand von Winterthur
Privataltar im Schatzmann Anwesen / rechts Schatzmanns Mutter in jungen Jahren:
Eine Schatzmann Bank mitten in der Innenstadt von Winterthur: Wie man sieht, stark frequentiert!
Weiteres unter: www.erwinschatzmann.ch
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