Menschen machen Orte / Zu Besuch in den Jardins de Bordeo auf Korsika

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„Ich wollte die Schönheit festhalten“( Albrecht von Keyserlingk)

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Menschen machen Orte, heißt es in meinem Reiseblog, aber bei meinem Besuch in den Jardins de Bordeo, der in dritter Generation von Familie von Keyserlingk geführt wird, denke ich: Auch Orte machen Menschen.

Der wohl bekannteste Sohn der Insel, die ich besucht habe, war nach der Überlieferung ein olfaktorisch anspruchsvoller Mensch. Er soll wohl allein vom echten Kölnisch Wasser dem 4711, im Monat an die 70 Liter verbraucht haben, wobei auch seine gesamte Umgebung, einschließlich seines Pferdes damit parfümiert wurden, so heißt es in Prof. Hans Hatts Buch: Die Lust am Duft.

Seine Heimat könne er bei verbundenen Augen und Ohren alleine am Duft erkennen, soll er einmal gesagt haben.

Die Rede ist vom Kaiser der Franzosen, Napoleon Bonaparte, der 1769 in Ajaccio geboren wurde, und bis zu seinem 9. Lebensjahr auf Korsika lebte und aufwuchs.

Und da die Forschung belegt hat, daß, ob ein Duft geliebt oder abgelehnt wird, wesentlich von den Dufterlebnissen im Mutterleib und bis zum dritten Lebensjahr geprägt wird, hatte ja Monsieur Napoleon genügend Zeit seine Vorlieben zu prägen.

Nehmen wir nun einmal an, Monsieur Napoleon bekäme , vielleicht wegen guter Führung , noch einmal die Chance, einen Tag auf seiner Geburtsinsel zu verbringen.

Ich bin Schauspielerin, ich darf mir so etwas ausdenken…

Natürlich wäre ein Besuch in seiner Geburtsstadt Ajaccio vorgesehen, aber überlassen wir nun einmal die Führung der Nase von Monsieur Napoleon..

Diese würde ganz sicher zur Costa Verde gelockt, denn der Nase käme bereits der Duft von Bergamotte, Rosmarin, Lavendel, Orange, Zitrone, Petit Grain und den Neroliblüten entgegen..
Das sind ja zufällig auch die Duftbausteine des 4711 Parfüms….

Die Costa Verde ist eine Region im Osten der Insel Korsika , die der Kaiser zu seinen Lebzeiten wohl eher gemieden hat, da es ehemals Malaria und Sumpfgebiete waren, die erst später trocken gelegt wurden. In der Antike war diese Region die KORNKAMMER Roms.

Dorthin brach Anfang der 1960 Jahre Albrecht, Baron von Keyserlingk mit seiner Frau, Marie Berta Gräfin zu Stolberg Stolberg aus Deutschland auf, um noch einmal , bereits im Pensionsalter, einen Neuanfang zu wagen.

Sie verliebten sich sofort beim ersten Mal in die Insel, und 1963 zogen sie dann ganz dorthin.

Das Paar hatte 5 Söhne, die bereits zu dieser Zeit erwachsen waren, und bei meinem Besuch im Mai 2024 sitze ich mit dem jüngsten Sohn, der heute selbst 79 Jahre alt ist, auf der Terrasse der Farm und lasse mir die Geschichte dieses Duftortes erzählen.

„Mein Vater hatte, außer einigen Jahren Angola, wo er versuchte, Kaffee anzubauen, immer einen Bürojob gehabt. Er war in leitender Position beim Waldbauernverband angestellt.“

Zunächst war die Herausforderung für das Paar, auf Korsika Land zu erwerben, welches, so erzählt der Sohn Albrecht junior, gar nicht so einfach war, bei den komplizierten Besitzverhältnissen der Familienclans auf Korsika. Aber durch Beharrlichkeit und Geschick gelang dieses dem Vater.

Nun galt es, das immergrüne Buschland, die Macchia, zu kultivieren. Zu Beginn baute man Clementinen an.

Es war eine besondere Region an der Ostküste, umgeben von Bergen. Dadurch herrscht ein besonderes Mikroklima, welches eben sehr fruchtbaren Boden hervorbringt.

Sowieso ist Korsika immer noch eine erfreulich grüne Insel , auch wenn die Menschen, die ich treffe, und die die Insel schon vor dreißig Jahren kannten, natürlich die Veränderungen sehen. Längst quellt und sprudelt es nicht mehr so wie einst, und das Menschheitsthema Wasser , welches für die ganze Menschheit immer präsenter wird, ist es hier ebenfalls.

Als Baron von Keyserlingk dann sehr betagt war und bereits über achtzig Jahre, entschied sich sein jüngster Sohn, eben mein Gesprächspartner, die Eltern zu unterstützen, und kehrte ebenfalls Deutschland, und seinem Beruf als Psychoanalytiker den Rücken. 1983 kam er dann
ganz nach auf die Insel.

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Der heute selbst fast achtzigjährige Baron von Keyserlingk auf seiner Terrasse

Auch er fand keine rechte Erfüllung mehr in seinem Beruf mehr.
„Ich konnte die Depressionen meiner Patienten nicht mehr ertragen“, schildert er.

Hier lernte er dann auch gleich zu Anfang seine spätere Frau kennen, eine deutsche Bühnenbildnerin, die aber bereits die meiste Zeit des Jahres auf der Insel lebte. „Sie gehörte der Hippiebewegung an“, schmunzelt der Herr Baron.

Er begann, von Grund auf, die Landwirtschaft bei seinem Vater zu erlernen, wollte aber auch neue Wege gehen, und begann nicht nur mit dem Anbau von Kiwis, sondern stellte den Betrieb dann auch auf BIO um. Er war einer der Mitbegründer der korsischen Initiative Natur e Progrès.

Durch das viele Wandern in den Bergen entdeckte Albrecht junior dann die Düfte, und seine Vision gestaltete sich, die Schönheit der Natur einzufangen zu wollen, und in die Flasche zu bringen.

Und so startete er quasi in der heimischen Küche mit seinen ersten Destillationsversuchen, und experimentierte immer weiter. Diese Arbeit beglückte mich, sagt er, ich genoss die Stille in meiner kleine Destillationsküche, und vor allem diesen Transformationsprozess, dass aus der harten körperlichen Arbeit des Pflanzens und Erntens dann so etwas Ätherisches wie das essentielle Öl einer Pflanze dabei herauskam. Zu seinen Herausforderungen gehörte es, die sozialen Kontakte weiter zu knüpfen, und damit die Chance, weitere Ländereien dazu zu erwerben. In dieser Zeit bildeten sich immer mehr Kooperativen, die die Plantagen bewirtschafteten. Baron Albrecht, wie er noch heute von vielen Älteren genannt wird, machte sich mit dem komplizierten Geflecht der korsischen Gesellschaft, den Bodenrechten der Familienclans, sowie der korsischen Mentalität vertraut.

„Ich bin hierher gekommen mit der Haltung: Ich bin hier Gast, danke , dass ich hier sein darf“

Diplomatie, Höflichkeit , Geduld und Respekt das waren meine Art, mich hier zu integrieren.

Mit der Zeit kamen dann auch Abnehmer wie die Firma Primavera oder Farfalla, die die Öle und Hydrolate aus den Jardins de Bordeo noch heute beziehen.

Uma mit Baronesse Sophia von Keyserlingk, der jetzigen Besitzerin und Betreiberin der Jardins de Bordeo, im Mai 2024 auf Korsika ©UML 2024


2016 stieg dann seine jüngste Tochter Sophia von Keyserlingk in den Familienbetrieb mit ein, und leitet seit 2019 unter der neuen Firmierung Jardins de Bordeo das Unternehmen. Albrecht von Keyserlingk zog sich auch nach dem frühen Tod seiner Frau immer mehr aus dem Betrieb zurück, ebenso auch wegen zunehmender gesundheitlicher Probleme.

Essences naturelles corses ( ENC) blieb als Markennamen erhalten.

Ich denke mir, es ist schon spannend zu sehen, wie so jede Generation noch einmal ihre ganz eigene Herausforderung ganz anderer Art hat, einen solchen Ort zu erhalten.

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Als Sophia, die Umwelt und Naturwissenschaften in Strasbourg, Paris und Wien studiert hatte, und zunächst eher andere Pläne hatte, nach dem Tod der Mutter kam, um den Vater zu unterstützen und auf der Farm auszuhelfen, wurde daraus aber dann ein Bleiben. Sie machte nun noch einmal eine grundlegende Ausbildung in Landwirtschaft, denn diese Ausbildung ist die Voraussetzung, eine solche Farm zu leiten und zu besitzen.

„Mir hat natürlich das Arbeiten mit den essentiellen Ölen, das Reisen, die Messen , die Begegnungen mit so vielen Menschen Freude gemacht. Das Feld der Aromatherapie ist wundervoll, aber ich musste auch Entscheidungen treffen, denn es ist für mich auch eine Challenge gewesen, zwischen Familie, meiner Tochter und dem Betrieb eine Balance hinzukriegen. Dazu kam, als ich dann den Betrieb übernommen habe, stand dieser finanziell nicht gut da, dann kam die Inflation und Covid, und das waren wirkliche Herausforderungen“. Sophia entschied sich natürlich auch aus Loyalität zur Familie dann zu diesem Schritt, wie sie sagt.

Ihre ältere Schwester Josefine, die auch im Unternehmen mitarbeitet, sagt mir am Rande einer Plauderei: „Ich bin stolz auf meine Schwester , sie hat das toll hingekriegt bisher, das Unternehmen wieder auf die Füße zu stellen nach diesen Jahren, und viele neue Sachen anzugehen.“

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„Ich habe mir allerdings auch viel Unterstützung und Hilfe geholt, sagt Sophia, sowohl von Freunden, als auch professionelle Hilfe und Beratung, was das Unternehmen betrifft.

Welche Vision sie für den Ort in zehn Jahren habe, frage ich sie.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass wir mehr in die Richtung gehen, einen Retreatort hier zu gestalten, wo es auch Wohnmöglichkeit gibt hier innerhalb des Anwesens, und wir auch mehr therapeutisch arbeiten in der Aromatherapie, und Menschen hier so tiefer eintauchen können.

Aber das alles funktioniert ja nur, wenn der Tourismus bleibt, ansonsten muss man weltangepasste Konzepte entwickeln, natürlich ist auch die Autarkie und Selbstversorgung ein großes Thema. Ich versuche in meinem Mikrokosmos Impulse zu setzen: In meiner Familie, in meinem Unternehmen, um das Thema Aromatherapie mehr in den Fokus zu bringen, und dass was sie tun kann, und wobei sie unterstützen kann. Leider muss ich sagen, dass es, was die allgemeinen Verordnungen betrifft, es immer schwieriger wird, den Anforderungen, Verboten und Neuregulierungen nachzukommen. Ich muss jedes Jahr Produkte wieder neu beschreiben, da es ständig neue Regularien gibt.

Ich versuche meiner Tochter bereits jetzt viel mitzugeben, wir reden sehr viel. Sie weiss mit sechs Jahren schon, nach welchem Öl sie fragen muss, wenn sie blaue Flecken hat, oder eine Erkältung naht. Ich habe einfach tiefes Vertrauen in die Kraft und Wirkung der Aromtherapie“.

Und hier stimme ich Sophia von Keyserlingk ganz zu. Auch mich hat die Aromatherapie gepackt.

Ich wünsche diesem schönen Sinnesort weiterhin ein gutes weiteres Gelingen!

Die Jardins de Bordeo können besucht werden, es gibt auf der Farm einen Shop, im Sommer kann man auch im Café verweilen und Führungen in Deutsch und französisch mitmachen, oder individuelle Gruppen anmelden.

Link: https://essences-naturelles-corses.fr/de/

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