Zu Besuch in der Rosenschule Ruf in Steinfurth bei Bad Nauheim

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„Die Rose besitzt zwar heilende Kräfte und wird in Lebensmitteln und therapeutischen Anwendungen verwendet – etwa in Tees, Ölen und Essenzen –, aber ihr wichtigster Beitrag für die Menschheit ist möglicherweise, dass sie in uns ein Gefühl der Ehrfurcht hervorruft. Wenn wir in der Nähe der Rose sind, vernimmt unsere Seele die Einladung, ganz im Hier und Jetzt zu verweilen. Ihr Duft und ihre Symbolik rauben uns den Atem und können dazu führen, dass wir gleichzeitig einen Moment der Transzendenz und der Immanenz erleben.“
Aus: Das Orakel der Rose von Rebecca Campbell, Königsfurt-Urania Verlag

Mein zweiter Rosensommer führt mich dieses Mal ins eigene Land, nämlich nach Steinfurth bei Bad Nauheim.
Eine Woche lang bin ich quasi Gastarbeiterin in der Rosenschule Ruf, um bei der Rosenernte zu helfen – aber auch, um mehr über den Rosenanbau zu erfahren.
Was ich im letzten Frühsommer auf Korsika begonnen habe, nämlich bei der Rosenernte mitzuarbeiten, setze ich nun hier fort. Steinfurth kannte ich bereits vom letzten Jahr, als ich das Rosenfest dort besucht habe.

Zudem ist Steinfurth das älteste Rosendorf in Deutschland. Seine Rosenhistorie verdankt es den Gebrüdern Schultheiss, die 1868 mit der Gründung der Firma Gebrüder Schultheiss Rosisten ein neues Kapitel des Rosenanbaus aufschlugen.
Heinrich Schultheiss hatte in England von John Cranston die Kultivierung der Rose erlernt und gründete mit seinen Brüdern Konrad und Wilhelm den ersten Anbaubetrieb. Auch heute betreiben die Nachkommen in fünfter Generation die älteste Rosenschule Deutschlands – in Steinfurth.

Da ich im letzten Jahr beim Rosenfest mit Werner Ruf ins Gespräch kam, war mir sofort sympathisch, dass seine Rosenschule die erste war, die biozertifiziert wurde und seit 1994 unter dem Bioland-Siegel geführt wird. Zudem ist sie einer der 300 Demonstrationsbetriebe für ökologischen Landbau in Deutschland. Das ist mir wichtig – dass keine Chemikalien eingesetzt werden.
Die Rosenschule Ruf wird inzwischen in vierter Generation von Manuel Ruf und seiner Partnerin Barbara Kretz geführt.

Eine Freundin, die mich dort besucht, sagt spontan: „Das ist ein Ort mit guter Energie.“ Auch ich fühle mich in dieser Woche – rundum berost – sehr wohl, denn meine Sinne sind positiv stimuliert: die Farben, die Formen, die Düfte.
Ich darf bei der Zuarbeit zur Veredelung auf dem Feld helfen, also beim Abblättern und Abdornen der Rosenstiele. Dabei sitze ich in der großen Halle und werde begleitet vom Gezwitscher der Schwalbenfamilien, die im Gebälk Quartier bezogen haben und vollauf mit der Erziehung ihrer Jugendlichen beschäftigt sind.

Entschleunigung.
Ich schmunzle in mich hinein, denn ich muss an Marina Abramović denken – an eine zentrale Übung ihrer Methode: das Zählen und Sortieren von schwarzen und weißen Reiskörnern.
Für den digital überdosierten Menschen kann so eine Tätigkeit fast zu einer meditativen Praxis werden.

Ich mache auch gleich einen Vorschlag: Man sollte das Abblättern und Abdornen doch mal als Seminar für gestresste Banker anbieten – Frankfurt ist ja quasi um die Ecke.
Nun gut, vielleicht wird beim Entblättern auch meine Fantasie ein bisschen angeregt.

Ganz in Klosterstille läuft es dann doch nicht ab, denn plötzlich rauscht die Chefin vorbei und ruft:
„Ich brauche heute noch 2000 Augen!“
In meiner Welt wären das jedenfalls 1000 Zuschauer – wenn man vom natürlichen Fall ausgeht, dass es keine Performance für Einäugige wäre.

Okay, ich merke: Meine Fantasie ist wirklich lebhaft …

Also zurück zu den Augen der Rosenstiele, die freigelegt werden müssen, bevor die Fachfrau fürs Okulieren sie in eine kleine Rosenpflanze auf dem Feld einbringt, um diese zu veredeln.
Ich darf nicht nur zusehen, sondern auch Corien, die für eine Woche aus Holland angereist ist, die vorbereiteten Augen anreichen. Zuvor habe ich sie an den Stielen freigelegt – die ja bereits entblättert und entdornt wurden.

Nicht Okkultismus, sondern Okulieren nennt sich das – und ich habe es wohl mit der Speedy Gonzales der Okulierer:innen zu tun, denn Corien schafft über 2500 Okulierungen am Tag.
„Früher habe ich 3500 geschafft“, sagt sie, schiebt ihren großen Sombrero etwas zurück und richtet sich einen Moment aus der Dauerbückhaltung auf.
Es ist ziemlich heiß.
Das den ganzen Tag zu machen – mit nur zwei kleinen Pausen –, stelle ich mir sehr anstrengend vor. Und das ist es auch!

Unwillkürlich fällt mir mein dreiwöchiger Kurs an der Samy Molcho Akademie in Österreich ein, im Jahr 1984 – da war ich noch ein junger Hüpfer.
Eine unserer Lehrerinnen war eine der wenigen (oder vielleicht die einzige) weibliche Kabuki-Lehrerin aus Japan.
Wir übten Kabuki-Positionen ein, die für den Zuschauer völlig einfach aussahen – minimale Bewegungen in Zeitlupe.
Bei mir führten sie dazu, dass ich zwei Wochen extremen Muskelkater hatte, weil sie Muskeln beanspruchten, die ich vorher gar nicht kannte. Für meinen Körper war das Höchstarbeit.

Überhaupt ist meine Fantasie angesichts all der Sinnbilder hier stark angeregt:
Entdornen – und zack – hat man auch mal einen Stachel im Finger.
Es sind ja in Wahrheit keine Dornen, sondern Stacheln.
Die können aber verdammt weh tun.

Ja, die Rose – ein wunderbares Sinnbild für Schönheit, aber auch für Wehrhaftigkeit und Schmerz.
Wobei: Das Schmerzvolle wurde erst später hineininterpretiert – insbesondere von der katholischen Kirche, die ja gegen Wollust und kraftvolle Weiblichkeit kämpfte.
Denn ursprünglich symbolisierte die Rose genau das: Schönheit, Üppigkeit und Betörung.

Die Rose – von jeher das Sinnbild für die Frau.
Natürlich hat die katholische Kirche ihr irgendwann auch die Dornen genommen – und damit der Frau die Wehrhaftigkeit.
Dann ging es nur noch um Reinheit.

In der Historie der Kirche – sinniere ich weiter – wurde die Frau immer wieder ihrer Urkraft beraubt.
Aber, so höre ich meine innere Stimme weiterreden:
Das fliegt ihr immer mehr um die Ohren.
Die Zeit ist reif!
(Sorry für die kleine Abschweifung.)

Aber jetzt mal wieder zum Bodenständigen. Denn bodenständig muss man in dieser Branche und bei dieser Arbeit im doppelten Sinne sein. Gott sei Dank liefern die hofeigenen Hühner hier viel Gutes für die natürliche Düngung des Bodens und der Rosenpflanzen. Die zweibeinigen Rasenmäher sowie lebendigen Überwachungsaugen und Alarmanlagen in Form der Hausgänse sind natürlich auch zu erwähnen. Nebenher gibt’s auch noch die frischen Eier der Rosenhühner – im Lädchen, das in die Halle integriert ist. Rund um die Rose findet die Besucher:in hier alles, was das Herz begehrt: eigene kulinarische Produkte wie Rosenmarmelade, Rosenzucker, Rosensalz, Rosenblätter für Tee, Rosenessig oder auch Rosenlimo von Voelkel, die mit den Rosenblättern von Rufs hergestellt wird. Außerdem gibt es Rosendekos aller Art, Rosenliteratur und Kleidung von Ökolabels. Man kann hier wundervoll stöbern. Im englischen Glashaus gegenüber, wo die Ruf-Tochter Nanetta mit süßen Köstlichkeiten beliefert aus ihrer www.konditourei.de, finden auch zahlreiche Veranstaltungen statt. In der Woche, in der ich zu Gast war, gab es zum Beispiel einen Tag mit Rosenfrühstück und am Freitagabend die Rosentafel, gefolgt am Samstag von einem dreistündigen Kurs, den eine Mitarbeiterin leitete, die auch Yogalehrerin und Künstlerin ist.
Hier der Link zu Christines Arbeit: www.in-der-schreinerei.de

Seit Jahren spreche ich in meinen Talks und Events und in meinen Newslettern von den sogenannten Lichtinseln, die wir schaffen müssen – als Gegengewicht zu all dem Furchtbaren und Destruktiven, das in der Welt geschieht. Und solch ein Ort gehört für mich dazu: zu den kleinen Lichtinseln oder Frequenzräumen. Denn zum einen wird der Königin der Blumen hier gehuldigt – einer Blume, die unseren Planeten seit über 35 Millionen Jahren bevölkert, lange bevor der Mensch ihre Schönheit erkannte. Zum anderen, und das wird mir immer wichtiger, ist es ein analoger Ort, an dem noch unsere Hände und unser Körper die Meister sind. Dadurch bleibt auch die Beziehung zwischen Mensch und Natur erhalten. Die Rhythmen der Natur sind maßgeblich, und Mensch und Natur können zu einer harmonischen Einheit finden.

Und um diese Verbundenheit geht es doch überhaupt. Wenn wir der Natur wertschätzend gegenübertreten und sie ebenso behandeln, bin ich überzeugt: Sie tut das auch mit uns.
Wir brauchen sie – sie braucht uns nicht.

Und so ist der Besuch der Rosenschule Ruf für mich ein schöner Auftakt meiner neuen Reihe:
MIT ALLEN SINNEN IN DIE ZUKUNFT!

Diese Reihe wird ihren Auftakt mit den beiden Events im Maison Capitain haben (siehe www.umaprojects.de) und ist künftig auch an anderen Orten geplant. Ich bin selbst gespannt, wohin mich meine weitere Reise noch führen wird.
Nun geht’s der Nase nach!

Hier findet ihr alle Angebote und Events der Rosenschule RUF:
www.rosenschule.de

Einige Impressionen – ein Klick auf die Bilder zeigt sie in größerer Ansicht.

Der Besuch des Rosenmuseums Steinfuhrt ist ebenfalls empfehlenswert www.rosenmuseum.com

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